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  • AutorenbildWabi Sabi by Anne

Ist Verletzlichkeit der Schlüssel zum Glück?


Als ich 20 war, dachte ich: keine Fehler machen, Leistung erbringen und die Kontrolle bewahren.

Denn das verlangt unsere Gesellschaft. Meinte ich. Jedoch: so behinderte ich mich selber.

Mich nicht so ohne Grund einzuschränken, musste ich lernen. Damals war mein Motto: „was ich will, kann ich“. Und das lief auch relativ lange gut so. Inzwischen musste ich umdenken. Denn jetzt ist eher das Gegenteil der Fall: nicht mal was ich möchte - gemütlich schlendern zum Beispiel - kann ich. Blöd gelaufen. Werden die meisten denken. Heute bin ich mir dessen nicht mehr so sicher. Aber das ist ein anderes, langes Thema, welches ich mir für später aufspare.

Bleiben wir bei der Kontrolle und der Überzeugung, alles perfekt machen zu müssen (was auch immer perfekt heisst). Und den Mut, diese abzulegen.

Wenn ich heute versuchen würde, weiterhin den gängigen Normen zu entsprechen, um die Souveränität in jeder Lage zu bewahren, dürfte ich mit meinem Rollstuhl nicht mehr aus dem Haus und müsste mich wohl verstecken.

Das wäre schade, um das Leben das mir geschenkt wurde. Jammerschade. Und das nur wegen Konventionen?!

Die amerikanische Sozialwissenschaftlerin René Brown ist überzeugt: seine Unvollkommenheit zeigen und sich somit verletzlich machen, ist der Schlüssel zum Glück. Also es wagen zu sagen, dass man nicht alles im Griff hat. Um Hilfe bitten. Faux Pas eingestehen.

Meine Erfahrung zeigt auch genau das: seitdem ich mir immer öfters meine zarten Seiten eingestehe und auch zeige, wurden meine Beziehungen authentischer und intensiver. Und dadurch wurde mein Leben viel reicher, gelassener und ruhiger - ich muss ja nicht mehr immer, wie ich früher dachte, alles 100 % perfekt machen.

Ich fühle mich emotional verbunden. Offen. Immer öfter bin ich schlicht glücklich. Das mag diejenigen überraschen, die meinen, ohne gehen zu können, ist es unmöglich zufrieden, geschweige denn glücklich sein. Dachte ich früher wahrscheinlich auch.

Ich wurde eines Besseren belehrt...

Unvollkommenheit als Schönheit. Das ist auch der Grundpfeiler der seit Jahrtausenden existierender japanischer Wabi Sabi Philosophie. Und jetzt wird das Thema sogar wissenschaftlich untersucht.

Die heutigen Forschungsergebnisse kommen zum selben Schluss wie die Zenmönche, die es schon seit Jahrtausenden wissen. Und zwar, dass all diejenigen ein besonders erfülltes Leben führen, die gar nicht erst versuchen, immer perfekt zu sein, um angenommen und geschätzt zu werden. Die Schönheit liegt eben in der Verletzlichkeit, im Unregelmässigen, Ungeraden, scheinbar nicht Fertigen.

Perfektionismus ist eine Rüstung. Man kann sich so wunderbar dahinter verstecken. Es ist deshalb mutig zu sagen: Ich bin es müde, nach Perfektionismus zu streben.

René Brown sagt: „Wir wagen es meist nicht, den Panzer abzulegen und zu zeigen, wer wir wirklich sind und unsere Ängste und Träume preiszugeben, weil wir fürchten, man könnte all das gegen uns verwenden. Jedoch: was wir hier auf Erden als etwas Besonderes beitragen können, ist eben, genau der zu sein, der wir sind. Und dazu gehören auch die, sorry, beschissenen Teile von uns.“

Die meisten von uns wachsen mit der Vorstellung auf, dass Unvollkommenheit Schwäche bedeutet. Aber sie ist alles andere als das. Ganz im Gegenteil: Unzulänglichkeiten zeigen braucht Mut und ist somit eine Stärke.

Ein schönes Bild für Wabi Sabi ist, dass die wertvollsten antiken japanischen Teegefässe diejenigen sind, die einen Sprung haben. Denn der Riss wurde früher mit einem durch echtem Gold veredelten Harz repariert und die Tassen werden als schöner und wertvoller betrachtet als die neuen, unversehrten.

Auf den Menschen übertragen könnte man sagen, dass gerade Verletzungen unseren Wert ausmachen.

Nicht nur die uralte japanische Weisheit, sondern auch die aktuelle Forschung zeigt: Mut haben zu Verletzlichkeit lohnt sich.

Und bringt uns ein Stück Richtung Echtheit und Glück.


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